Rede “KZ Sachsenburg als Gedenkstätte erhalten und ausbauen”

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Rede “KZ Sach­sen­burg als Gedenkstätte erhal­ten und aus­bauen”

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Sehr geehrter Herr Präsi­dent, Kol­legin­nen und Kol­le­gen,

derzeit erfährt das Pro­jekt zur Errich­tung ein­er Gedenkstätte KZ Sach­sen­burg große medi­ale Aufmerk­samkeit: sei es durch den MDR in der Doku­men­ta­tion­srei­he „Zeitreise“, dem Sach­sen­spiegel, dem Deutsch­land­funk mit „Zeit­fra­gen“, Artikeln in ver­schiede­nen Zeitschriften region­al und über­re­gion­al, sei es durch unseren Antrag im let­zten Jahr oder wiederum durch den MDR, welch­er mit „EXAKT DIE STORY“ den Werde­gang der Gedenkstätte und die Ini­tia­tive KLICK bis in den Herb­st hinein begleit­en wird. Vor diesem Hin­ter­grund hal­ten wir es für geboten, dass sich auch das Par­la­ment zu diesem The­ma posi­tion­iert und daher auf der Tage­sor­d­nung unser Antrag Gedenko­rt KZ Sach­sen­burg erhal­ten und aus­bauen mit dem Ziel endlich eine insti­tu­tionell zu fördernde und öffentlich zugängliche Gedenkstätte, wie im Gesetz der Stiftung Säch­sis­che Gedenkstät­ten fest­geschrieben, zu erricht­en.

Nir­gends war die Dichte der soge­nan­nten „Frühen Konzen­tra­tionslager“ mit 103 Lagern in 80 Städten höher als in Sach­sen, auch gab es 62 Außen­lager der KZs Flossen­bürg, Groß Rosen und Buchen­wald. Für dieses dun­kle Ver­mächt­nis säch­sis­ch­er Geschichte gibt es keinen zen­tralen Erin­nerungs- und Bil­dung­sort. Dabei kommt dem KZ Sach­sen­burg als eines der ersten eine beson­dere Rolle zu, es bildete die Grund­lage für die späteren Konzen­tra­tions- und Ver­nich­tungslager.

SA und SS inhaftierten zwis­chen 1933 und 1937 mehr als 16.000 Men­schen, 7.000 sind mit­tler­weile namentlich bekan­nt, so z.B. Bruno Apitz, Wal­ter Jan­ka, der Vater von Hein­er Müller. SA und SS folterten und ermorde­ten, darunter Kom­mu­nis­ten, Sozialdemokrat­en, Chris­ten. So auch auf bes­tialis­chste Art den Land­tagsab­ge­ord­neten der SPD, Jour­nal­is­ten und Redak­teur Dr. Max Sachs. Bei der Obduk­tion dieses beleibten Mannes fand man handtel­ler­große blaue Flecke, welche bis auf die Knochen blu­tun­ter­laufen waren, Ver­brühun­gen und Schnit­twun­den. Die Lager­leitung gab als Todesur­sache Herzstill­stand an. Auch wur­den in Sach­sen­burg SS-Wach­mannschaften aus­ge­bildet, welche ihr erlerntes Folter­wis­sen unter anderem nach Buchen­wald und Sach­sen­hausen exportierten. Teils über­traf die Zahl der Wachan­wärter die Zahl der Häftlinge.

Schon in den 50er Jahren des ver­gan­genen Jahrhun­derts wurde eine Gedenkausstel­lung in der Spin­n­fab­rik ein­gerichtet. 1968 wurde ein Mah­n­mal, welch­es zum Glück bis heute beste­ht, eingewei­ht. In Zeit­en der poli­tis­chen Wende, also Anfang der 90er Jahre, wurde die Spin­nerei geschlossen, das Gelände verkauft und die darin enthal­tene Ausstel­lung geschlossen. Sei­ther passiert seit­ens des Lan­des lei­der nichts oder nicht viel. Schon 1992 grün­dete sich eine erste Ini­tia­tive zur Wiedere­in­rich­tung eines Gedenko­rtes. Sei­ther ist alles, was heute noch zu sehen ist, let­z­tendlich dem ehre­namtlichen Engage­ment der Lager­ar­beits­ge­mein­schaft, der Ini­tia­tive KLICK mit Anna Schüller und dem Besitzer Her­rn Mar­cell Hett zu ver­danken.

Sehr geehrte Frau Dr. Stange, Sie beto­nen die her­aus­ra­gende Bedeu­tung des KZ´s für das Gedenken an die NS-Opfer in Sach­sen, sagen immer, Pro­jek­te müssen von unten wach­sen, so soll auch die Gedenkstätte von unten nach oben wach­sen. Jet­zt frage ich Sie allerd­ings: wie viel Unten braucht es denn eigentlich, bis die Staat­sregierung meint, sie müsse mal etwas tun. Seit 26 Jahren bemühen sich Ini­tia­tiv­en darum, die Gedenkstätte wieder aufzubauen, pfle­gen das gefährdete Gelände und haben den Zel­len­trakt wieder bege­hbar gemacht und eine Ausstel­lung auf die Beine gestellt. Seit 6 Jahren ist das KZ Sach­sen­burg in das Gedenkstät­ten­s­tiftungs­ge­setz aufgenom­men. Mar­cel Hett, der Eigen­tümer der Fab­rik und der umliegen­den Gebäude han­delt so beson­nen, schlägt Inve­storen, welche eine Sauna im Gebäude eröff­nen woll­ten, vor den Kopf, sagt, dass er lieber eine ganze Etage für eine Ausstel­lung zur Ver­fü­gung stellen möchte. Er schenkt der Stadt Franken­berg das Zel­len­haus, im Schenkungsver­trag heißt es:

„Die Stadt Frankenberg/Sa. verpflichtet sich zur Errich­tung ein­er Gedenkstätte.

Durch diese soll ein Mah­n­mal gegen Gle­ichgültigkeit und Vergessen geschaf­fen wer­den, das jeden an seine gesellschaftliche Verpflich­tung erin­nern soll.“

Eben­so kaufte die Stadt Franken­berg weit­ere Teil­flächen auf dem Gelände der ehe­ma­li­gen Zwirnerei, worauf sich auch die ehe­ma­lige Kom­man­dan­tenvil­la befind­et, auch Franken­berg ist dabei.

Also was denn noch mehr? Ach ja, ein Konzept zur Errich­tung ein­er Gedenkstätte. Zitat Frau Dr. Stange: „Wichtig ist, dass die Stadt und engagierte Bürg­er die Entwick­lung des Konzeptes vorantreiben“. Ich kann Ihnen sagen, auch dieses Konzept gibt es mit­tler­weile. Der Stiftungsrat, welchem Sie, sehr geehrte Frau Min­is­terin, vor­sitzen, wird dieses am 14. Mai in sein­er näch­sten Sitzung behan­deln. Sie kön­nen also pos­i­tiv ein­wirken, vielle­icht sog­ar mit der Unter­stützung des größten Teiles des Par­la­ments. Pos­i­tiv darauf ein­wirken, dass seit­ens der Stiftung die Errich­tung der Gedenkstätte vor­angetrieben wird. Denn eines müssen Sie mir an dieser Stelle doch erk­lären, Frau Dr. Stange. In der Stel­lung­nahme zu unserem Antrag vom 8. Sep­tem­ber 2017 schreiben Sie: „Dass die Stiftung authen­tis­che Orte erschließt, bedeutet nicht, dass diese Gedenkstät­ten errichtet. Die Errich­tung ein­er Gedenkstätte ist auch kein Gegen­stand ein­er insti­tu­tionellen Förderung. Vielmehr set­zt eine insti­tu­tionelle Förderung das Vorhan­den­sein ein­er Gedenkstätte voraus.“ Sie spie­len den Ball also nach Franken­berg zurück. Schon merk­würdig, denn in dem nur drei Wochen später am 29. Sep­tem­ber 2017 aus­gere­ichtem Tätigkeits­bericht der Stiftung Säch­sis­che Gedenkstät­ten heißt es in Ihrem Vor­wort: „Eine ganz wesentliche neue Auf­gabe dieses geset­zlichen Auf­trags ist die Errich­tung bzw. der Auf­bau weit­er­er im Gesetz benan­nter Gedenkstät­ten, die kün­ftig insti­tu­tionell gefördert wer­den sollen.“ Das klingt doch sehr nach Ver­schiebe­tak­tik, immer so wie ich es ger­ade brauche. Und die Dinge von mir schieben kann.

Richtig ist jedoch auch zu sagen, und das gehört der Wahrheit hal­ber dazu, dass sich, durch die eben benan­nte medi­ale Präsenz dieses The­mas, einiges bewegt hat. Doch lei­der zu wenig, denn auch der schon geplante „Pfad der Erin­nerung“, eine Außen­rau­mausstel­lung, also ein erstes Zeichen der öffentlichen Darstel­lung des Ortes, wurde seit­ens der Stiftung nicht auskömm­lich mit Mit­teln bedacht. Geplante Kosten 170.000, von der Stadt Franken­berg beantragt 110.500, bewil­ligt 85.000, allein aus Zuschüssen zur Stärkung der poli­tis­chen Bil­dungsar­beit, also aus zusät­zlichen Mit­teln und nicht aus dem orig­inären Haushalt der Stiftung. Nach den öffentlichen Aus­sagen von Her­rn Reiprich: „Die Entste­hung ein­er Gedenkstätte am Ort des frühen KZ Sach­sen­burg ist von über­re­gionaler, ja, europäis­ch­er Bedeu­tung“ wiederum kein schönes Zeichen der Gedenk- und Erin­nerungskul­tur aus Sach­sen. Doch zumin­d­est ist das Ansin­nen der vie­len Ini­tia­tiv­en jet­zt in der Welt und in den Köpfen und kann nicht mehr zurück genom­men wer­den.

Begreifen Sie diesen Antrag und das derzeit­ige Inter­esse an diesem The­ma als eine großar­tige Chance für Sach­sen und seine in der let­zten Zeit gelit­te­nen Außen­wirkung nicht nur auf dem Feld der Erin­nerungs- und Gedenkkul­tur. Bei einem europaweit zu beobach­t­en­dem Recht­sruck und der ver­sucht­en Umschrei­bung und Umdeu­tung von Geschichte ist es heute wichtiger denn je, auch an die Zeit­en zwis­chen 1933 und 1945 zu erin­nern und aufzuk­lären. Es gibt derzeit eine Art Gegen­be­we­gung von Men­schen, welche sich ein falsches Geschichts­bild von Recht­spop­ulis­ten nicht gefall­en lassen wollen und Wahrheit und Ori­en­tierung in den Gedenkstät­ten suchen. So verze­ich­neten alle KZ und NS Gedenkstät­ten in Deutsch­land steigende Besucherzahlen, in Buchen­wald gab es gar Besucher­reko­rde, auch im Win­ter. Dies ist auch Beleg für die Notwendigkeit des Erhalts authen­tis­ch­er Orte der Geschichte. Das KZ Sach­sen­burg kön­nte nicht nur eine Gedenkstätte im ursprünglichen Sinne wer­den, son­dern ein Zen­trum der demokratis­chen Bil­dung, ein Lern‑, Forschungs‑, Infor­ma­tion­sort. Jet­zt wäre genau der richtige Zeit­punkt zu han­deln. Auch und ins­beson­dere im Hin­blick auf die anste­hen­den Haushaltsver­hand­lun­gen und dem Haushalt­sen­twurf seit­ens der Staat­sregierung. Hier haben Sie die Möglichkeit, ein Zeichen ihres Wol­lens zu set­zen und die Stiftung mit Ihrem Auf­trag, die Stadt Franken­berg, Die Lager­ar­beits­ge­mein­schaft und die Ini­tia­tive KLICK zu unter­stützen und so den Auf­bau ein­er Gedenkstätte peku­niär durch zweck­ge­bun­dene Gelder zu unter­set­zen. Ich glaube, im Grunde gibt es zwis­chen den demokratis­chen Frak­tio­nen dieses Haus­es keinen Dis­sens, was die Erfül­lung des geset­zlichen Auf­trags der Stiftung Säch­sis­ch­er Gedenkstät­ten bet­rifft und damit auch dem Ziel die Gedenkstätte KZ Sachen­burg in eine insti­tu­tionell geförderte Ein­rich­tung zu über­führen. Mit Ihrer Zus­tim­mung zu unserem Antrag wären wir auf diesem Weg einen ganz großen Schritt weit­er.