Rede kulturelle Bildung

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Rede kul­turelle Bil­dung

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Sehr geehrter Herr Präsi­dent, Kol­legin­nen und Kol­le­gen,

mir war schon klar, dass Sie sich als Reak­tion auf den ersten Rede­beitrag zu unserem Antrag von mein­er Kol­le­gin Cor­nelia Falken erst ein­mal hin­stellen, sich auf die Schul­ter klopfen und darstellen, wie viel Sie in dieser Leg­is­latur erre­icht haben. Wie stark Sie sich des The­mas kul­turelle Bil­dung angenom­men haben. Sei es durch die Erhöhung des Grund­bud­gets im Ganz­tags­bere­ich bis hin zum Lan­desweit­en Konzept kul­turelle Kinder- und Jugend­bil­dung, welch­es wir an dieser Stelle vor nicht allzu langer Zeit schon disku­tiert haben und es bei unser­er berechtigten Kri­tik bleibt, dass es wed­er finanziell noch struk­turell tragfähig unter­set­zt ist. Doch die Gedanken, die Wün­sche des Konzeptes sind in der Welt und kön­nen nicht zurück genom­men wer­den. Eins jedoch ist auch Fakt, Sie haben in dieser Regierungspe­ri­ode die Stun­dentafel in den Fäch­ern Musik und Kun­st geschlif­f­en und damit den Weg bere­it­et die kul­turelle Bil­dung weit­er in den Ganz­tages­bere­ich zu ver­schieben, wo sie eben nicht alle erre­icht. Sie denken gar nicht daran und darüber nach wie wichtig kul­turelle Bil­dung für unsere Kinder, für unsere Gesellschaft und unsere Zeit ist. Sie stellen sie zwar wörtlich immer wieder her­vor, jedoch einge­drun­gen in ihr Denken und Han­deln ist diese Bedeut­samkeit nicht. Und dabei kann man auch in eine ganz andere Rich­tung  gehen, wie ein Beispiel aus Großbri­tan­nien zeigt. In Brad­ford galt die Fever­sham-Grund­schule lange als eine Bren­npunk­tschule, welche bei Leis­tung­stests, in den soge­nan­nten MINT Fäch­ern, immer weit unter Durch­schnitt lag. Der Direk­tor dieser Schule hat­te vor sieben Jahren eine Idee, krem­pelte den Stun­den­plan um und weit­ete den musis­chen Unter­richt aus, statt ihn wie bei uns zu beschnei­den. Bis zu sechs Wochen­stun­den Musik haben nun die Schü­lerin­nen und Schüler, sie sin­gen oder üben sich an Instru­menten mit dem beein­druck­enden Ergeb­nis, dass die Fever­sham-Grund­schule heute, also nur sieben Jahre später, zu den besten des Lan­des gehört.

Die Schü­lerin­nen und Schüler macht­en unglaubliche Fortschritte beim Lesen, Schreiben und Rech­nen, so dass 74 Prozent von Ihnen den erwarteten Leis­tungs­stan­dard erre­ichen. Im lan­desweit­en Durch­schnitt sind es nur 53 Prozent.
Dieses Beispiel zeigt doch auf bemerkenswerte Art und Weise, dass Musik, kul­turelle Bil­dung also, auf Leis­tun­gen in anderen Fäch­ern wie Dünger auf ein Gemüse­feld wirken kann. Wie wichtig sie für Entwick­lung von kog­ni­tiv­en Fähigkeit­en, für die All­ge­mein­bil­dung ist. Kul­turelle Bil­dung heißt mit allen Sin­nen ler­nen, ergo mit Kopf, Herz und Hand. Es ist heute wis­senschaftlich fundierte Gewis­sheit, dass unsere Sinne und unser Denken eine Ein­heit sind und nicht getren­nt voneinan­der betra­chtet wer­den dür­fen. Und deshalb ist es auch wichtig darüber nachzu­denken, dass kul­turelle Bil­dung in der Schule eben nicht in den Fäch­ern Musik, Kun­st, darstel­len­des Spiel, Deutsch endet, son­dern sich auch in anderen Fäch­er wie Biolo­gie, Geschichte, Geografie, Chemie etc. wiederfind­et. Das erleb­bare und erlebte Ler­nen führt zur Gewis­sheit, wird nicht vergessen und dient damit der All­ge­mein­bil­dung. Das bloße Hinein­trichtern von wirtschaftlich ver­w­ert­barem Wis­sen ‚wie es PISA gefällt, reicht heute nicht mehr aus um auf die sich ras­ant verän­dernde Welt, auf die Glob­al­isierung, den immer schnelleren Takt von tech­nis­chen Erneuerun­gen, den Wan­del in der Arbeitswelt vorzu­bere­it­en. Es braucht ein Mehr an Fähigkeit­en, es braucht Kreativ­ität, Phan­tasie, Empathiefähigkeit, Tol­er­anz, eine der Zeit angepasste anderen Denkweise und damit auch eine Diskus­sion über Bil­dungsqual­ität. Howard Gard­ner, Pro­fes­sor an der Har­vard Uni­ver­sität sagt: “Die Fokussierung auf den MINT-Bere­ich ist eine Engführung men­schlich­er Möglichkeit­en.“ Und er geht noch weit­er indem er schreibt: „Die zukün­fti­gen Her­aus­forderun­gen brauchen keine weit­ere Spezial­isierung auf wenige Kom­pe­ten­zen und keine weit­ere Konzen­tra­tion auf eine Auswahl von Fäch­ern.

Stattdessen braucht die nachwach­sende Gen­er­a­tion nicht nur Fach­wis­sen, nicht nur die Tiefe in einem Fach, son­dern auch die Verknüp­fung der Fäch­er, nicht nur Exper­ten­tum, son­dern auch Kreativ­ität, nicht nur egozen­trisches Leis­tungsstreben, son­dern auch eine respek­tvolle und ethis­che Hal­tung gegenüber der Mit- und Umwelt.“ Zitat Ende

Im Zuge der Indus­trie 4.0 wer­den sich die Arbeits­felder verän­dern, Berufe, welche es heute noch gibt, wird es zukün­ftig nicht mehr geben, andere gibt es noch gar nicht. Viele der jun­gen Men­schen wer­den ihren Arbeits­bere­ich selb­st definieren, gar erfind­en müssen. Dafür braucht es die nötige Gelenkigkeit des Geistes. Das kann jedoch die reine Wis­sensver­mit­tlung nicht leis­ten, es braucht Kun­st und Kul­tur, dazu bedarf es kul­tureller Bil­dung, eines ganzheitlich­enen Ler­nansatzes, ästhetisch, kör­per­lich, sprach­lich, emo­tion­al, sen­sorisch, medi­al. Kul­turelle Bil­dung schafft Freiräume, zum Exper­i­men­tieren, Aus­pro­bieren, Reflek­tieren, Fehler machen. Sie nimmt pos­i­tiv­en Ein­fluss auf die Konzen­tra­tion, Sozialkom­pe­tenz, das Durch­hal­tev­er­mö­gen, die Intel­li­genz. Sie ist ein wichtiges Mit­tel zur Inte­gra­tion von Men­schen ver­schieden­ster Herkun­ft, zur Inklu­sion. Durch sie wird es einem möglich sich in Rela­tion zu sein­er Umwelt zu set­zen, neue Wege zu beschre­it­en. Wer das durch die falschen Mark­er in der Bil­dungspoli­tik auf das Spiel set­zt, indem er es zulässt, dass musis­che Fäch­er gestrichen und Ange­bote kul­tureller Bil­dung mehr und mehr in den GTA- Bere­ich geschoben wer­den, han­delt grob fahrläs­sig mit der Zukun­ft unser­er Kinder, dem gesellschaftlichen Zusam­men­halt, der friedlichen und wirtschaftlichen Entwick­lung unseres Lan­des, in Europa und der Welt.