Rede Rückgabe NS-Raubgut aus Bibliotheken
Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen,
vorliegend ein Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen zum Thema: „Erforschung und Rückgabe von NS-Raubgut an öffentlichen Bibliotheken in Sachsen voranbringen“ und das aus unserer Sicht sehr zu Recht. Es gleich vorwegnehmend werden wir allen Punkten in diesem Antrag unsere Zustimmung geben. Die Kollegin Frau Dr. Maicher hat in ihrer Antragseinbringung schon alle wesentlichen und relevanten Argumente benannt und ich möchte an dieser Stelle auch nicht noch einmal dezidiert auf die Inhalte und Verpflichtungen der Washingtoner Prinzipien und der daraus folgenden Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände eingehen. Nur soviel sei memoriert, Zitat: „Es sollten Mittel und Personal zur Verfügung gestellt werden, um die Identifizierung aller Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt (…) wurden zu erleichtern. Es sollten alle Anstrengungen unternommen werden, Kunstwerke, die (…)beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückerstattet identifiziert wurden zu veröffentlichen, (…) die Vorkriegseigentümer oder ihre Erben ausfindig zu machen.“, so weit die Washingtoner Prinzipien. In einer neuerlichen gemeinsamen Erklärung der Bundesregierung und des US-Außenministeriums vom 26. November 2018 heißt es: „Die unterzeichneten Vertreter sind sich bewusst, dass weiterhin Verbesserungsbedarf besteht, und sagen zu, mit Dringlichkeit alle notwendigen und geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die getreue Umsetzung der Washingtoner Prinzipien durch Deutschland (…) weiter voranzubringen.“ Sehen Sie Kolleginnen und Kollegen, Frau Staatsministerin Dr. Stange und genau hierfür spricht der heutige Antrag. Denn es genügt eben nicht in der Stellungnahme der Staatsregierung zum Antrag auf die Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, kurz DZK, zu verweisen und damit den Eindruck zu erwecken alles geht seinen Gang.
Das DZK fördert zwar Projekte zur Forschung und Provinienz-Recherche, aber nur bis maximal 36 Monate und eben nicht die Suche nach Erbinnen und Erben, sowie die Restitution an sich. Ein Fall, der, wie neulich der MDR berichtete, auch auf die Stadtbibliothek in Bautzen zutrifft. Dort hat der Wissenschaftler Robert Langer über Jahre 665 Bücher als NS-Raubgut identifiziert, darunter Teile der Büchersammlung der Familie Tietz (Hertie), welche einst 4500 Exemplare umfasste und laut einem Schätzer 1943 als „eine der schönsten“ bezeichnet wurde. Doch Langer spart nicht mit Kritik: Bisher sei nur von einer der über 450 öffentlichen Bibliotheken ein entsprechendes Forschungsprojekt bekannt.Es sei vieles an falscher Stelle, auch in anderen Zusammenhängen wie DDR-Unrecht oder kolonialem Kontext. «Wir haben gerade mal die Decke gelupft.» Er geht von einer Menge im Hunderttausender Bereich aus. Uwe Hartmann vom Deutschen Zentrum Kulturgutverlust bezeichnete die Bautzener Forschung als “beispielgebend” für andere öffentliche Bibliotheken. Ob noch weiter Sammlerexemplare, Kupferstiche, Romane etc. in den Archiven der Bautzner Bibliothek schlummern bleibt unklar, denn nach vier Jahren Forschung lief das Projekt aus, Folgemittel wurden nicht bewilligt. Und da spricht es gerade zu Hohn, dass Sie Frau Ministerin, in eben erwähnten Beitrag des MDR, lapidar davon sprechen: es stünden mit den Kulturraummittel, welche die Bibliotheken mitfinanzieren, ausreichend Mittel für die Erforschung von NS-Raubgut zur Verfügung. Ich habe diese Aufgabe für die Kulturräume weder im Gesetz selbst noch in Richtlinien gefunden. Außerdem wäre dies ja auch noch einmal eine zusätzliche Anforderung und ich Schelm dachte, dass die letzte Erhöhung der Mittel für die Kulturräume um 3 Millionen € alleinig für die kulturellen Einrichtungen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gedacht war. Und noch eines: in der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage zu Raubgutverdachtsfällen vom Mai dieses Jahres findet man folgenden Satz: „Nach Auffassung der Deutschen Nationalbibliothek wird die Provenienzerforschung absehbar nicht abgeschlossen werden können, sondern Daueraufgabe bleiben.“ Sie sehen mit reiner „Projekteritis“ kommen wir auch in Sachsen nicht wirklich weiter. Es braucht, wie im Antrag gefordert, ein eigenes sächsisches Forschungsprogramm, eine landesweite Koordinierungsstelle, rein informelle Strukturen reichen auch aus unserer Sicht für die Bewältigung der anstehenden Aufgaben nicht aus. Auch „Nichtwettiner“ haben gefälligst das Recht auf Rückgabe von NS-Raubgut.