Evaluation Gedenkstättenstiftung

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Rede zum Antrag zur Evaluierung der Arbeitsweise der Stiftung Säch­sis­che Gedenkstät­ten

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¬Sehr geehrter Herr Präsi­dent, liebe Kol­legin­nen und Kol­le­gen,

ihnen liegt heute ein Antrag der Linken zur Abstim­mung vor, in dem die Vertreter der Staat­sregierung in der Stiftung säch­sis­ch­er Gedenkstät­ten aufge­fordert wer­den, auf eine Evaluierung der Arbeitsweise sel­biger hinzuwirken.

Bertold Brecht sagte 1952 auf dem Völk­erkongress für den Frieden: „Das Gedächt­nis der Men­schheit für erduldete Lei­den ist erstaunlich kurz.“ Und darum braucht es Gedenkstät­ten. Auf­grund der vie­len Stät­ten poli­tisch verord­neter und grausam umge­set­zter Unmen­schlichkeit zwis­chen 1933–45 und 1945 bis 49 und 49 bis 89 in Sach­sen gibt es hier seit 1994 die vom Freis­taat gegrün­dete und finanzierte Stiftung Säch­sis­che Gedenkstät­ten.

Sie soll mit ihrer Arbeit das Gedenken an die Opfer bewahren und die Ver­ant­wor­tung der Täter benen­nen. Sie soll die Struk­turen und Meth­o­d­en der jew­eili­gen Herrschaftssys­teme offen­le­gen und den beispiel­geben­den Mut von Wider­stand und Oppo­si­tion würdi­gen.

Wie bedeut­sam diese poli­tisch-his­torische Bil­dung ger­ade hier, ger­ade heute ist, muss nicht nur der Säch­sis­chen Staat­sregierung inzwis­chen klar gewor­den sein.

Jedoch müssen wir kon­sta­tieren, dass die Stiftung, in deren Träger­schaft u.a. die Gedenkstät­ten Bautzen, Münch­n­er Platz Dres­den, Pir­na-Son­nen­stein, DIZ Tor­gau und Ehren­hain-Zei­thain sind, seit ger­aumer Zeit nicht in dieser Rich­tung wahrgenom­men wird.

Vielmehr zeich­net sie sich öffentlich und höchst unrühm­lich durch interne Quere­len aus. Und das bun­desweit.
Die Zeit, die Welt, der Tagesspiegel, der Focus oder Spiegel Online bericht­en über Per­son­al­stre­it­igkeit­en, Kündi­gun­gen von Mitar­beit­ern, Kündi­gung von Koop­er­a­tionsverträ­gen, Ver­leum­dun­gen, ungle­ich verteilte För­der­mit­tel, Repres­sio­nen seit­ens der Geschäfts­führung gegenüber Mitar­beit­ern und Insti­tu­tio­nen. Immer wieder lan­det man vor Gericht. Das gipfelte zulet­zt in einem Arbeit­srechtsstre­it wegen ange­blich geführter Schwarzkassen in Bautzen.
Den von den Medi­en begleit­eten Stre­it ver­lor die Stiftung, die bis dato gekündigte Mitar­bei­t­erin musste in Folge des Urteils wieder eingestellt wer­den.
Öffentlich dis­tanzieren sich Per­son­al­rat, Fördervere­ine und gesellschaftlich Aktive in der Gedenkpoli­tik von der Geschäfts­führung.
So unter anderem Frank Richter, Direk­tor der Lan­deszen­trale für poli­tis­che Bil­dung: „Ich wün­sche mir drin­gend im Sinne der poli­tis­chen Bil­dung, für die Gedenkstät­ten wieder ein größeres Maß an Selb­ständigkeit“, Karl Wil­helm Fricke, ehe­ma­liger Redak­teur des Deutsch­land­funk und 1956 ein­er der ersten poli­tis­chen Gefan­genen in Bautzen sagt: „Ich bin in großer Sorge um die Gedenkstätte“, Prof. Uwe Hirschfeld von der evang. Hochschule in Dres­den stellt fest: „Die Stiftung ist stark zen­tral­is­tisch organ­isiert und auf den GF zugeschnit­ten, der willkür­lich agieren kann“, eine ehe­ma­lige Mitar­bei­t­erin berichtet: „Jedes Detail musste man sich genehmi­gen lassen, jeden Kon­takt zu anderen Ein­rich­tun­gen oder gar Medi­en und Land­tagsab­ge­ord­neten melden. Ständig sei mit diszi­pli­nar­ischen Maß­nah­men gedro­ht wor­den.“ Und die erste Sprecherin des NS Opfer­ver­ban­des VVN-BdA sagt: „Die Stiftung ver­schleppt die NS-Aufar­beitung in Bautzen genau­so wie in Tor­gau. Wir wer­den nicht einge­bun­den, kom­men keinen Schritt weit­er. Die Zeit vor 1945 wird nicht angemessen berück­sichtigt, die Zeit nach 45 dage­gen ein­seit­ig betont.“

Aber nicht nur über die Stiftung wird berichtet, son­dern der stel­lvertre­tende Geschäfts­führer Bert Pam­pel trägt seine pri­vate poli­tis­che Mei­n­ung über den Twit­ter-Kanal seines Geldge­bers selb­st nach außen. Er schrieb: „Regierung, die sich nicht an Recht & Gesetz hält, trägt Mitschuld, wenn Bürg­er sich gegen ille­gale Ein­wan­derung wehren“. Und das von ein­er Stiftung mit demokratis­chem Bil­dungsauf­trag. Diese Anmaßung blieb fol­gen­los, ach nein, stimmt nicht ganz: Der Account darf nicht mehr für pri­vate Zwecke genutzt wer­den. Wie hart!

Als Geschäfts­führer der Stiftung instal­lierte die CDU 2009 den Geo­physik­er Siegfried Reiprich, obwohl die Wahl des Stiftungsrates auf den His­torik­er und SPD-Mann Christoph Mey­er gefall­en war. Dieser kon­sta­tierte kür­zlich: „An meinem Fall sollte ein Exem­pel sta­tu­iert wer­den. Ziel war es, die Stiftung so auszuricht­en, dass DDR Unrecht ein­deutig im Vorder­grund ste­ht. Herr Reiprich ste­ht als Per­son für diesen Ansatz“
Wie zutr­e­f­fend diese Ein­schätzung ist, fördert auch eine kleine Anfrage der Kol­le­gin Clau­dia Maich­er von BÜNDNIS90/Die Grüne zu Tage. Vie­len Dank dafür.

In den let­zten drei Jahren wur­den ca. 15% der För­der­mit­tel der Stiftung für den The­men­bere­ich NS – Aufar­beitung und 85% für die The­men­bere­iche SBZ und DDR Unrecht bewil­ligt. Die Begrün­dung, dass diese Kassen­lage mit den Feier­lichkeit­en zu 25 Jahren deutsch­er Ein­heit zu tun hat, ist hanebüchen. Hier ist eine Schieflage der Schw­er­punk­t­set­zung augen­schein­lich.

Das passt doch alles in die derzeit­ige Entwick­lung im Land. Wenn man jahre­lang die Aufar­beitung der NS-Ver­gan­gen­heit, und sei es nur pro­jek­t­be­zo­gen, ver­nach­läs­sigt, ist es in Folge kein Wun­der, dass es auf Sach­sens Straßen so aussieht, wie es aussieht. Nun sagen Sie, dies bet­rifft nur die Fördergelder, auf insti­tu­tioneller Ebene sieht dies anders auch. Jedoch sollte man auch dort genauer hin­se­hen in Bezug auf Aus­rich­tung der Tätigkeits­felder des Per­son­als und der Gedenkstät­ten. Außer­dem kommt hinzu, dass 800.000 € aus­gere­ichter För­der­mit­tel im Jahr 2015 kein Pap­pen­stiel sind und bei par­itätis­ch­er Auss­chüt­tung sel­biger viel mehr in Rich­tung NS-Ver­gan­gen­heit­saufk­lärung möglich gewe­sen wäre. Auch lass ich Aus­sagen wie die: Es gab zu wenig Anträge seit­ens der Ver­bände mit The­men­bere­ich Nation­al­sozial­is­mus, nicht gel­ten, denn diese sind auf dem Rück­en der schon zahlre­ich ver­stor­be­nen Betrof­fe­nen und Augen­zeu­gen zynisch. Und es ist wohl auch orig­inäre Auf­gabe ein­er Stiftung, selb­st Pro­jek­te in diese Rich­tung anzure­gen.

Eine Frage, die darum auch beant­wortet wer­den muss, ist: wie die Stiftung ihre bil­dungspoli­tis­chen Auf­gaben – Aufk­lärung, Erin­nerung und Bewahrung – in Zukun­ft zu erfüllen gedenkt. Ein Konzept dazu gibt es freilich nicht. Trotz mehrfach­er Auf­forderung des Stiftungsrates hat die Geschäfts­führung seit 2010 keine Stiftungskonzep­tion erar­beit­et. Es liegt nur ein Entwurf von 2009 vor, den der Vorgänger Klaus Dieter Müller noch 2008 geschrieben hat.
Auch hat die Stiftung in den ver­gan­genen Jahren vieles daran geset­zt, um gesellschaftliche und bürg­er­schaftliche Ini­tia­tiv­en zur Erin­nerung an die Opfer der NS-Zeit zu erschw­eren.

Da gibt es z. B. die so genan­nte „Gruppe Bren­ner“, die aus bis zu 40 Per­so­n­en beste­ht. Diese betreiben ehre­namtlich Grund­la­gen­forschung zu den Opfern des NS in Sach­sen. Durch deren Archivar­beit kon­nte die Zahl der ins frühere KZ Sach­sen­burg ver­schleppten Häftlinge erst­mals annährend genau bes­timmt wer­den: statt der bish­er ver­muteten 2.000 Internierten kön­nen nun über 6.000 Per­so­n­en doku­men­tarisch belegt wer­den. Eben­so kon­nten mehr als 14.000 Verurteilte aus NS-Straf­prozessen erst­mals ermit­telt wer­den.
Diese so wichtige Arbeit wurde durch die Stiftung min­i­mal mit jährlichen Beträ­gen zwis­chen 1.000 bis 3.000 Euro unter­stützt für die Erstat­tung von Fahrtkosten.
Bis zum Dezem­ber 2013. Da wurde dann ohne Begrün­dung die Ver­längerung des jährlichen Koop­er­a­tionsver­trages durch die Stiftung ver­weigert, obwohl die Forschungsar­beit­en noch keineswegs abgeschlossen waren und sind.
Die Suche nach einem gemein­samen Gespräch – ergeb­nis­los.

Apro­pos – Gespräch­ster­mine: Umson­st suchte auch der Fördervere­in Zei­thain einen solchen, wurde doch der Koop­er­a­tionsver­trag seit­ens der Stiftung gekündigt, Siegfried Reiprich begrün­dete das so:
„Sie haben im Novem­ber vorigen Jahres schwere Vor­würfe gegen meine Arbeit und die der Geschäfts­führung gegenüber … Staatsmin­is­terin Frau Dr. Stange geäußert, ohne diese mit mir zuvor besprechen zu wollen … oder diese wenig­stens im Nach­hinein zu begrün­den. … Die Bitte … nach Übersendung Ihres Schreibens… lehn­ten Sie ab.“

Die Nichther­aus­gabe eines Briefes an den Geschäfts­führer der Stiftung führt also zur Kündi­gung eines Ver­trages? Da frage ich mich, warum die Geschäfts­führung der Stiftung nicht gle­ich noch die Min­is­terin aufs Korn genom­men hat. Schließlich hat diese die Her­aus­gabe des Briefes eben­falls abgelehnt.

All diese Vorkomm­nisse recht­fer­ti­gen die Frage, ob die Stiftung in der derzeit­i­gen Ver­fas­sung ihren geset­zlichen Auf­trag noch erfüllt.

Min­is­terin Stange dis­tanziert sich als Vor­sitzende des Stiftungsrats von der Geschäfts­führung. Jedoch habe sie keine weit­ere Hand­habe. Das ist kaum zu fassen. Um als Freis­taat die Hand­habe wieder zu erlan­gen und weit­eren Schaden vom Land und der Stiftung ab zu wen­den, fordern wir drin­gend eine Über­prü­fung der Stiftungstätigkeit, zumal es eine solche seit Grün­dung 1994 nicht gegeben hat.

Wir fordern, die Arbeit der Stiftung von ein­er Kom­mis­sion evaluieren zu lassen, die mit exter­nen, ich betone mit exter­nen Fach­leuten aus der his­torischen Forschung und der Gedenkstät­te­nar­beit in anderen Bun­deslän­dern beset­zt ist. Diese soll sich ins­beson­dere

• der gedenk- und förder­poli­tis­chen Aus­rich­tung der Stiftung,
• der Über­prü­fung der Sachgerechtigkeit der Organisations‑, Per­son­al- und Finanzstruk­turen,
• der Arbeit des Geschäfts­führers und der Gremien der Stiftung,
• der Ver­fahren und Kri­te­rien zur Verteilung der Stiftungsmit­tel und
• der Zusam­me­nar­beit mit bürg­er­schaftlichen Ini­tia­tiv­en und Fördervere­inen wid­men.

Im Sinne der poli­tisch demokratis­chen Bil­dung, ger­ade in der heuti­gen Zeit, bitte ich Sie unserem Antrag zuzus­tim­men.

Haben Sie vie­len Dank für Ihre Aufmerk­samkeit.