Schulchaos beenden

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“Schulchaos been­den” Rede zur aktuellen Debat­te zu Bil­dung

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Sehr geehrter Herr Präsi­dent, Kol­legin­nen und Kol­le­gen,

26 Jahre CDU in Sach­sen: fehlende Klassen­räume, Lehrerman­gel, Pla­nungsrück­stände beim Schul­haus­bau, Klassen­zusam­men­le­gun­gen, Aufteilungsklassen bei Unter­richt­saus­fall, im Schnitt 52% Seit­ene­in­steiger bei Neue­in­stel­lung, beson­ders im Grund­schul­bere­ich, in den ländlichen Räu­men teils bis über 70%, 8,2% Schu­la­bgänger ohne Abschluss, bun­desweit die ger­ing­sten pro Kopf-Aus­gaben bei den all­ge­mein­bilden­den Schulen, Lehrer, welche nach dem Studi­um Sach­sen ver­lassen, im Musik­bere­ich, laut Anhörung fast alle. Wir bilden also Lehrerin­nen und Lehrer mit dem Geld von Sach­sen aus und schaf­fen es nicht ein­mal, sie bei uns zu hal­ten, sub­ven­tion­ieren stattdessen andere Bun­deslän­der.

Alles Dinge, über die wir schon in diesem Haus disku­tiert haben und immer wieder disku­tieren wer­den, denn eine Lösung dieser Prob­leme ist bei weit­em nicht in Sicht. Nun ist es Ihnen jedoch schein­bar gelun­gen, das Schul­jahr mit Ach und Krach begin­nen zu lassen, ohne dass die Eltern rebel­lierten. Ver­meintliche Ruhe kehrt ein, Mehltau fällt aus allen Wolken und Poli­tik­er klopfen sich genüsslich auf die Schul­tern.

Aber das ist doch nicht Ihr Ver­di­enst. Es ist das Ver­di­enst der Lehrerin­nen und Lehrer in diesem Land, die bis zum Anschlag ver­suchen den Unter­richt aufrecht zu erhal­ten. An dieser Stelle ein riesen Dankeschön seit­ens unser­er Frak­tion.

Und worüber wir bei all den desas­trösen Erschei­n­un­gen noch nicht gesprochen haben, weil wir von Baustelle zu Baustelle laufend gar nicht dazu kom­men, ist die Frage: Was macht Bil­dung eigentlich aus?, ist die Frage nach der Qual­ität der Bil­dung in diesem Land. Und die Ver­nach­läs­si­gung dieser Fra­gen gehört eben auch zum Chaos, denn sie spielt mit der Zukun­ft unser­er Kinder, unseres Lan­des.

Jet­zt wer­den Sie, meine Damen und Her­ren der Koali­tion, natür­lich selb­s­ther­rlich auf den Bil­dungsmon­i­tor 2017 ver­weisen, in dem Sach­sen zum 12. Mal bescheinigt wird, das beste Bil­dungssys­tem zu haben. An dieser Stelle mag ich mir gar nicht vorstellen, wie düster es in den anderen Bun­deslän­dern ausse­hen muss.

Eine Studie, erstellt vom Insti­tut der deutschen Wirtschaft in Köln für die Ini­tia­tive Neue Soziale Mark­twirtschaft. Von der Wirtschaft für die Wirtschaft. Hier wird Bil­dung nur im Kon­text „bil­dungsökonomis­ch­er“ und „humankap­i­talthe­o­retis­ch­er“ Ansätze betra­chtet. Zitat:

„Der Bil­dungsmon­i­tor bew­ertet, wie erfol­gre­ich jedes Bun­des­land sein Bil­dungssys­tem so aus­gestal­tet, dass daraus opti­male Wach­s­tums- und Beschäf­ti­gungsim­pulse entste­hen. {…} Aus Bil­dung­sprozessen entste­ht Humankap­i­tal. {…} Als rohstof­farmes Land ist Deutsch­land in beson­der­er Weise darauf angewiesen. Die Studie Bil­dungsmon­i­tor analysiert, wie stark die Bil­dungssys­teme der Län­der die Voraus­set­zun­gen für Wach­s­tum schaf­fen…{…}.“

Na her­zlichen Glück­wun­sch, Sach­sen, zu Platz 1.

Es geht eben nicht um das Indi­vidu­um Men­sch, nicht um die Schü­lerin­nen und Schüler, Auszu­bilden­den und Stu­dentin­nen und Stu­den­ten, son­dern es geht um eine Durchtrim­mung des Bil­dungssys­tems unter dem Blick­winkel von Effek­tiv­ität. Und dieser läuft Sach­sen mit geschwell­ter Brust voran. Das hat mit Hum­boldt, Pestalozzi, Base­dow, Salz­mann, Schiller und der Aufk­lärung soviel zu tun wie Cindy von Marzahn und eine eins in All­ge­mein­wis­sen.

Nicht nur wirtschaftlich ver­w­ert­bares Excelta­bellen-Denken brauchen wir, son­dern auch die Bil­dung des Herzens. Die Schule ist mehr als die bloße Vor­bere­itung junger Men­schen auf deren Pro­duzen­ten- und Kon­sumenten­da­sein. Wann begreifen Sie endlich, dass ohne moralis­che Sub­stanz, gelehrt und gebildet in den zu unrecht belächel­ten und allzu leicht an den Rand geschobe­nen musis­chen Fäch­ern, eine Gesellschaft nicht zusam­men­hält.

Mir wird bange auch für meine Kinder, dass ich sie einem Schul­sys­tem aus­set­ze und aus­set­zen muss, das gnaden­los auf Elite trimmt, Wis­sen (nur) ein­trichtert, das Humankap­i­tal schnell­st­möglich in die Brut­tow­ertschöp­fungs­kette ausspuckt, mit dem antrainiertem Traum: Auto, Haus, Fam­i­lie, Kinder, deren Aus­bil­dung, Kon­sum, Tod. Und dabei ver­gisst was uns auch aus­machen sollte, was wir brauchen, was wir eben­so ler­nen und fördern müssen: Empathiefähigkeit, Gerechtigkeitssinn, Fre­undlichkeit, Ehrlichkeit, Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein, Sol­i­dar­ität, Offen­heit, Sinn für Schön­heit, .…

Erin­nern Sie sich noch, meine Damen und Her­ren von der Koali­tion? Zitat:

„Die indi­vidu­elle Förderung eines jeden jun­gen Men­schen ste­ht für uns im Mit­telpunkt. Das Bil­dungsange­bot muss so gestal­tet sein, dass jedem Schüler ein dif­feren­ziertes Ange­bot zur Ver­fü­gung ste­ht, welch­es seinen indi­vidu­ellen Fähigkeit­en, Begabun­gen, Nei­gun­gen und Leis­tungspo­ten­tialen entspricht.“

Koali­tionsver­trag CDU/SPD 2014. Richtig erkan­nt, bish­er nicht umge­set­zt, set­zen, 6.