Franz Sodann: Soloselbständigen und Kleinunternehmer*innen befristetes Grundeinkommen zahlen! Einbringung und Schlusswort
Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, AfD,
vorliegend heute unser Antrag: „Künstlerinnen/Künstler und Kulturschaffende vor Armut in der Krise schützen: Grundeinkommen für Soloselbständige und Kleinunternehmer“ mit dem Vermerk der Priorität. Und diesen Vermerk hat er sehr zu Recht, zeugt schon die erste Aussage in der Stellungnahme der Staatsregierung von Unwissen und Arroganz. Zitat: “Eine generelle Aussage, dass alle Soloselbständigen und Kleinunternehmer, insbesondere die Künstlerinnen und Künstler sowie Kulturschaffende, von den Auswirkungen besonders hart betroffen sind, lässt sich nach den Erkenntnissen der Staatsregierung nicht pauschal treffen.“ Das geht doch völlig an der Realität vorbei, sie ignorieren ganz einfach Petitionen mit Hundertausenden Unterschriften, offene Briefe, z.B. vom Verband der Gründer und Selbständigen, von der Allianz der freien Künste, geben keinen Deut auf Bundesratsbeschlüsse, Bundestagsanträge, Aussagen und Umfragen von Wirtschaftsinstituten, keinen Deut auf die Tatsache, dass ein Viertel der 4,1 Millionen Soloselbständigen und Kleinunternehmen davon ausgehen, ihrer Tätigkeit alsbald nicht mehr nachgehen zu können und sehen gar nicht, dass andere Bundesländer sehr wohl die Dringlichkeit von Unterstützung in diesem Bereich erkannt haben und vor allen Dingen auch schon handeln, Thüringen, Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen.
Wenn Sie in der Stellungnahme schreiben, dass für den überwiegenden Teil mittlerweile wieder die Möglichkeit besteht, künstlerische, gewerbliche und wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen, suggeriert das, alles wäre wie vor Corona und Sie wissen ganz genau, dass dies mitnichten so ist. Jede Kneiperin, jeder Kneiper, jeder Kaffeehausbesitzer, Betreiber von privaten Theatern, Kabarett´s etc. wird Ihnen erzählen, dass es gar nicht möglich ist, auch aufgrund von Auflagen, Abstandsgeboten, Umsätze annähernd wie vor Corona zu gerieren, in einigen Fällen ist Schließung immer noch billiger als Wiedereröffnung. Viele Aufträge sind nicht nur für die letzten Monate weggebrochen, sondern für das gesamte Jahr.
Richtig ist auch, dass Sie Frau Ministerin Klepsch, in letzter Zeit auch einiges für die Kunst‑, Kulturschaffenden und Kreativen, Musikschulen gemacht und, sagen wir mal, rausgeholt haben. Wir unterstützen ausdrücklich die Fortführung und finanzielle Erweiterung des Programmes DENKZEIT und der Möglichkeit der Förderung von Online-Auftritten. Das trifft bestimmt Etliche der Branche, aber eben nicht alle. Sicher werden Sie auch ausführen, dass es ja noch mehr Programme und Hilfen gibt wie: Sachsen hilft sofort, Soforthilfe Bund, Härtefälle Corona, usw., alle fördern jedoch nur Betriebskosten, welche nachzuweisen sind und keine Lebenshaltungskosten und wenn dann nur in Form eines Darlehens. Die Soloselbständigen, Künstlerinnen und Künstler dieses Landes sollen also ihr Leben auf Kredit finanzieren.
Viele von ihnen arbeiteten schon vor Corona in prekären Verhältnissen und werden es danach höchstwahrscheinlich, so sie es überhaupt noch können, auch wieder tun, wenn wir nicht gegensteuern.
Und eines will ich Ihnen auch sagen: bei Soloselbständigen in der Kultur und Kreativwirtschaft zwischen Betriebs- und Lebenshaltungskosten zu unterscheiden, entbehrt jeglichem Bezug zur Realität. Sie arbeiten eben nicht Kapitalintensiv, bei ihnen vermischt sich oft Privat- und Berufsleben, selbst und ständig ist die Devise. Das Betriebskapital besteht bei ihnen eben nicht aus großen Büroräumen, welche enorme Energie- und Nebenkosten produzieren, aus Leasingraten für schöne Autos usw., sondern wie es im Namen schon steckt: kreativ, aus ihren Gedanken, Ideen, Fähigkeiten und eben
diese gilt es am Leben zu erhalten. Das gilt nicht nur für Soloselbständige und Kleinunternehmen der Kultur und Kreativwirtschaft, sondern für unglaublich viele weitere Solistinnen und Solisten, Unternehmerinnen und Unternehmer, welche mit ihrer Hände Arbeit versuchen auf dem Markt zu bestehen und ihren Lebensunterhalt frei zu erwirtschaften, ob Dozentinnen und Dozenten, Fensterputzer, Hausmeisterinnen und Hausmeister, Friseurinnen und Friseure, Marktständlerinnen und Marktständler, freie Journalistinnen und Journalisten, Moderatorinnen und Moderatoren, Unternehmungen in der Reise‑, Tourismus- und Gastronomiebranche und, und, und…. Und jenen hilft der Verweis, dann beantrage doch Grundsicherung, gemeint ist und bleibt Hartz 4, nichts, mit dem sogenannten vereinfachten Zugang. Bis Mai erhielten gerade einmal 27.000 Selbständige Hartz IV, 27.000 von 4,1 Millionen. Die Hürden sind nach wie vor zu hoch. Denn nach wie vor gilt die Anrechnung des Partnereinkommens, die Bedarfsgemeinschaft und schon aus diesem Grund trifft die Regelung für viele nicht zu. Weiterhin wird das Kindergeld angerechnet, wird zwar die Vermögensprüfung ausgesetzt, aber mal ehrlich wie viele Soloselbständige haben mal ebenso 60.000 € auf der hohen Kante und wenn, verbergen sich dahinter oft Rücklagen für das Alter, welche dann erst verbraucht werden müssten, absurd. Richtig ist auch, dass die Kosten der Unterkunft ohne Prüfung der Angemessenheit übernommen werden, aber nur bis zum 30.9. dieses Jahres, was ist denn danach? Wird es Umzugsaufforderungen geben? Man kann doch nicht davon ausgehen, dass ab dem 1. September alles wieder normal sein wird. Im Gegenteil
viele Ökonomen und Institute sagen für den Herbst eine große Insolvenzwelle voraus und das ist auch Ihrer Darlehensduselei zu verdanken. Ihrem Mantra Grundsicherung, welche eh nicht zum Leben mit voller Teilhabe an der Gesellschaft reicht, wie just der Paritätische wieder feststellte und eine deutliche Aufstockung forderte, bleiben Sie treu. Statt wirklich zu helfen, verbleiben CDU, SPD und Grüne in der Hartz IV Logik. Das verwundert mich ja (als die Parteien, die es eingeführt haben) nicht wirklich, es erschreckt mich nur immer wieder. Unser Antrag heute soll helfen eine Insolvenzwelle im Bug von Corona zu verhindern, soll es den vielen Soloselbständigen und Kleinunternehmern ermöglichen, weiter zu machen, die wenigen Aufträge, die sie noch haben, wahr zu nehmen — ohne den bürokratischen Aufwand und die folgliche Schmälerung des Hartz IV Regelsatzes — , soll Investitionen in die Zukunft des Geschäftes, der Tätigkeit ermöglichen und ein wenig Sicherheit in Zeiten der Krise geben. Wir fordern ein zeitlich begrenztes Grundeinkommen für Soloselbständige und Kleinunternehmer von monatlich 1.180 €, angelehnt an den Bundesratsbeschluss und ich finde, dass Ihnen die Zukunft unserer sehr kleinteiligen Wirtschaft hier in Sachsen das auch Wert sein sollte. Andere Bundesländer denken da weiter.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, AfD
die Sächsische Zeitung vom 05. Juni dieses Jahres berichtet über eine
Demonstration von Gastronomen und Kulturschaffenden auf dem Dresdner Theaterplatz um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.
Zitiert wird Steffen Schmidt, Mitinitiator der „leeren Stühle“. Er betonte: Es sei eine Enttäuschung für die Branche, dass die Überbrückungshilfen vom Bund nur für Juni bis August gelten. Er fragte: Sollen ab September alle Veranstalter in Insolvenz gehen? Die Umsatzsteuersenkung für ein halbes Jahr helfe nicht und sei ein Bürokratiemonster. “Es wird einfach auf Hartz IV verwiesen, wir hatten auf einen kleinen Zuschuss zu den Lebenshaltungskosten gehofft. Ich verstehe die Politik überhaupt nicht.” Was denn der Freistaat tue, fragte er.
Der Kollege Lars Rohwer von der CDU-Fraktion, ebenfalls auf dieser Demo wird wiedergegeben mit den Worten: Der Unternehmerlohn sei noch nicht vom Tisch. “Wir diskutieren da mehrere Optionen…“
Bereits am 22.04.2020 wandte sich Minister Dulig gemeinsam mit fünf weiteren Wirtschaftsministern in einem Brief an die Bundesminister Altmaier — CDU, Heil und Scholz — SPD. Sie baten um eine — Zitat — „Öffnung des Soforthilfeprogrammes, indem beispielsweise ein angemessener Betrag für Lebenshaltungskosten zur Begründung des Liquiditätsengpasses herangezogen werden kann.“ Die strikte Auslegung des Bundes einer sauberen Trennung zwischen Sach- und Finanzaufwand sowie Lebenshaltungskosten seinen in der Förderpraxis nur schwer darzustellen und würden einem schnellen, unbürokratischen Verfahren nicht gerecht.
Sie haben das Problem erkannt und dieser Ihrer Einschätzung können wir nur zustimmen.
Doch leider war diese Initiative nicht erfolgreich, wie das SMKT am 20.05.2020 in der Beantwortung einer meiner Nachfragen einräumte mit den Worten „Der Bund verweigert unter Verweis auf die Öffnung und Flexibilisierung des Zuganges zu Grundsicherung nach wie vor eine Öffnung des Zuschussprogrammes und die Berücksichtigung des Unternehmerlohnes bzw. der Existenzsicherung. Insofern ist die Initiative bedauerlicherweise bisher nicht erfolgreich.“
Das Ihr Ansinnen nachhaltig an der Bundesregierung gescheitert ist, zeigt auch die aktuelle gültige Überbrückungshilfe des Bundes.
Auch dieses Programm ist für Kleinunternehmer*innen und Selbständige schon in der Art und Weise der Beantragung nicht umzusetzen.
Wie bereits erwähnt, Sie, meine Damen und Herren, oder zumindest Ihr Wirtschaftsminister, hat das Problem erkannt. Aber außer Briefe zu schreiben, bis heute keine konkreten Vorschläge und praktikablen Lösungen auf den Tisch gebracht.
Denn es bleibt dabei: Der Verweis auf Hartz IV geht an der Realität meilenweit vorbei. Soloselbständige sind nicht arbeitslos, sie sind aufgrund staatlicher Anordnungen weitgehend einkommenslos.
Und auch die Finanzierung des Lebensunterhaltes durch die von Ihnen „großzügig“ gewährte Aufnahme der Lebenskosten in das Kreditprogramm „Sachsen hilft sofort“ verlagert das Problem nur in die Zukunft.
Deshalb braucht es eine andere Lösung:
Ein zeitlich begrenztes Grundeinkommen von 1.180 Euro für alle Soloselbständigen und Kleinunternehmer*innen für jeden Monat, in dem diese aufgrund der staatlich verordneten Maßnahmen oder erteilten Auflagen zur Pandemiebekämpfung nicht in der Lage waren oder sind, ihre Geschäftstätigkeit zur Bestreitung ihres Lebens-unterhaltes auszuüben.
Mit einer solchen Unterstützung für Selbstständige und Kleinunternehmer*innen würden nicht nur die Jobcenter entlastet, sondern in der schwierigen finanziellen Situation auch die Kommunen. Denn diese tragen einen großen Anteil an den Kosten der Unterkunft.
Wir sind mit unserem Antrag und seinen Forderungen bei weitem nicht alleine.
Dem Spiegel war am vergangenen Sonntag zu entnehmen, dass die Grünen Fraktionschefin im Bundestag Frau Göring-Eckhardt, mehr Unterstützung selbständiger Kulturschaffender und ein Existenzgeld für ebendiese in Höhe von 1.200 Euro fordert.
Das Land Baden-Württemberg, regiert von CDU und Grünen — hat monatlich 1.180 Euro für Lebensunterhaltskosten in die Förderung aufgenommen.
Nordrhein-Westfalen- regiert von CDU und FDP — machte 2.000 Euro für 2 Monate möglich.
Die Landesregierungen von Bremen und Berlin — regiert von rot-rot-grün – haben im Bundesrat einen pauschalen Betrag in der Höhe von 1.180 Euro monatlich für die Kunst- und Kulturschaffenden gefordert. In der darauf gefassten Entschließung des Bundesrates macht sich dieser für eine Lösung stark, „die für den begrenzten Zeitraum der Pandemie die Möglichkeit eines pauschalen monatlichen Zuschusses eröffnet.“
Auch das Bundesland Thüringen gewährt eine solche Unterstützung und der Finanzausschuss des Landtages in Sachsen-Anhalt — regiert von CDU, SPD und Grünen — hat sich für eine solche Unterstützung stark gemacht.
Im Bayrischen Landtag ging eine solche Initiative von der dortigen SPD aus und wurde von den Grünen und der SPD unterstützt.
Egal, ob man es nun begrenztes Grundeinkommen, Existenzgeld oder Unternehmerlohn nennt. Diese Form der Unterstützung Soloselbständiger und Kleinunternehmer kann diesen Planungs- und Existenzsicherheit geben und uns, dem Freistaat die berechtigte Hoffnung, dass diese wichtigen wirtschaftlichen und kulturellen Akteure uns erhalten bleiben.
Bitte stimmen Sie daher unserem Antrag zu.