Hilfsprogramme für Einzelhandel und Innenstädte auflegen!

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Sehr geehrter Herr Präsi­dent, Kol­legin­nen und Kol­le­gen der demokratis­chen Frak­tio­nen,

ich möchte nach den Aus­führun­gen meines Kol­le­gen Nico Brün­ler in dieser Debat­te noch auf einen anderen Aspekt ver­weisen.

Innen­städte ob klein, mit­tel oder groß, sind eben mehr als die Summe ihrer Nutzun­gen und wirtschaftlich­er Bedeut­samkeit. Sie sind sozialer Raum, sind Begegnungs‑, Infor­ma­tions- und Aus­tauschstät­ten, Orte des kul­turellen Umgangs, des „Sehen und Gese­hen­wer­den“, des Genuss­es, der Muße, kurz — sie sind gelebte Kul­tur.

Eini­gen von ihnen ging es schon vor Coro­na und seinen Lock­downs und Schließun­gen nicht gut, doch nun mehren sich die Befürch­tun­gen, vom Innen­stadt­ster­ben in Größenord­nung, denn wie lange die derzeit­ige Sit­u­a­tion so bleibt ist offen, wird uns das Virus und seine Auswirkun­gen noch eine ganze Weile begleit­en. Bun­des­ge­sund­heitsmin­is­ter Spahn spricht vom Moment der Lockerun­gen erst, wenn genü­gend Imp­fun­gen vol­l­zo­gen sind und dieser Moment wäre wohl erst im Som­mer gegeben.

Gerech­net wird momen­tan mit 50.000 Schließun­gen im Einzel­han­del und bis zu 140.000 im Hotel- und Gast­stät­tengewerbe, auch große Tanker sind betrof­fen, Leer­stand wird eine Folge sein, genau wie das ver­mehrte Einkaufen im Online- Han­del. Es wird und muss also darum gehen, die Innen­städte wieder und teil­weise neu zu beleben, attrak­tiv zu machen, Leer­stand kreativ, gesellschaftlich umzunutzen, — Lock­down als Chance — neu zu denken und andere Wege zu gehen.

Kun­st und Kul­tur sind unab­d­ing­bar für eine flo­ri­erende Stadt, sie haben schon oft bewiesen, wie aus Ruinen und nicht geliebten Gegen­den ange­sagte Stadtvier­tel wur­den, lei­der nicht immer mit dem besten Aus­gang für alle Bewohner­in­nen und Bewohn­er, auch dies gilt es zukün­ftig stärk­er im Auge zu behal­ten.

Kun­st und Kul­tur gehören ein­fach dazu. Wer möchte in ein­er Stadt ohne Muse­um, Galerie, Musikschule, Bib­lio­thek, Buch- und Musikhand­lung, Geschichts‑, Kun­st- und Kul­turvere­in, ohne The­ater, Kino, Straßen­musik, Fes­ti­vals und freier Szene leben? Doch damit das alles wieder stat­tfind­en kann, muss man die Akteurin­nen und Akteure, die Kun­st- und Kul­turschaf­fend­en, auch über die Zeit der Pan­demie und deren Auswirkun­gen ret­ten. Beson­ders die Solo-Selb­ständi­gen, die „Hybrid“-Beschäftigten, Kle­in­stun­ternehmerin­nen und Unternehmer, Clubs, pri­vate The­ater und freie Szene ohne hohe Betrieb­skosten sind bei den bish­eri­gen Wirtschaft­shil­fen durch das Raster gefall­en. Ja wir hat­ten in Sach­sen auch Pro­gramme wie „Denkzeit“, doch schauen wir uns mal tief in die Augen, Jede und Jed­er hier im Raum weiß ganz genau, dass damit ein Über­leben in der kün­st­lerischen Tätigkeit über so lange Zeit ein­fach nicht zu real­isieren ist. Viele suchen sich derzeit neue Jobs/Berufe um über­leben zu kön­nen und die Gefahr beste­ht, dass sie später eben nicht mehr der Kul­tur­branche zur Ver­fü­gung ste­hen. Kul­turelle Ein­rich­tun­gen und Milieus, welche ein­mal geschlossen oder zer­fall­en sind, entste­hen nicht ein­fach so auf‘s Neue, sie sind durch viel Engage­ment über Jahre, gar Jahrzehnte, gewach­sen. Wollen wir uns dessen wirk­lich berauben?

Im Gegen­teil, Grund­la­gen müssten geschaf­fen wer­den, dass Neues noch zusät­zlich entste­hen kann. Die Dinge bedin­gen sich gegen­seit­ig, denn auch der Einzel­han­del braucht etwas mehr als eine Zeitungsan­nonce und eine Reklametafel im Inter­net, er braucht lebendi­ge Städte. Die Gas­tronomie braucht die Kul­tur, braucht Han­del und Wan­del, der Han­del braucht die Kul­tur und Gas­tronomie, sie bedin­gen sich gegen­seit­ig und alle drei befördern den Touris­mus, welch­er wiederum alle drei befördert.

Es braucht andere Konzepte, die Stadt und was in ihr agiert wird nicht so sein wie vor Coro­na, viele Dinge wer­den neu gedacht wer­den müssen, es braucht neue Ansätze der Stad­ten­twick­lung. Natür­lich sind dafür die einzel­nen Kom­munen zuständig, aber das Land ist dafür zuständig die Kom­munen in Möglichkeit zu set­zen, neue Weg gehen zu kön­nen und wie das immer so ist, kosten­los ist es nicht zu haben. Es braucht nicht nur Dialoge über eine Zeit nach Coro­na, es braucht auch aktive, peku­niäre Unter­stützung der Kun­st und Kul­tur, der Innen­stadt­förderung beim Neustart. Es geht um nicht mehr, aber auch um nicht weniger, als um das gesellschaftliche Miteinan­der, um die Diver­sität des Lebens, der Kul­tur, um etwas Grün, Trubel, Entspan­nung — kurz um Leben­squal­ität und die Sehn­sucht und Vor­freude darauf nach der Pan­demie.

Vie­len Dank.